DIARY
UPDATE 11/08/2004
Kuh, Kuh und noch mehr Kuh oder die wahre Geschichte über die Mountain Oysters
Die Fahrt in Richtung Cloncurry lässt sich in zwei Sätzen beschreiben. Bush, Outback, roter Sand
und Spinnefex Grass. Etliche tote Kangaroos am Strassenrand und eine nicht enden wollende Strasse. Wir
kommen in den 3 Tagen Fahrt immerhin durch 5 Kleinstädte mit einer Einwohnerzahl von 5 bis 1.200.
Nach 900km landen wir endlich in Cloncurry und hier gibt es immerhin 3.000 Einwohner, einen Supermarkt,
eine Videothek und einen Caravan Park, auf dem wir uns erstmal einmieten, um den Staub der letzten 3 Tage
von uns und unseren Kleidern zu waschen. Mittlerweile haben wir festgestellt, dass man hier im Outback
immer leicht mit rotem Staub überzogen ist und dass eine Dusche zwar gut tut, aber die Wirkung nicht
von langer Dauer ist.
Sonntagmorgen machen wir uns dann auf den Weg auf „unsere kleine Farm“. Die Farm liegt ca. 30km
außerhalb von Cloncurry und ist schnell gefunden. Nach einem Kilometer Schotterweg sehen wir
dann endlich das Haus und werden von einem riesigen Hund bekläfft. Oh, nein, nicht nur ein Hund.
Vor dem Auto sitzen mittlerweile zwei Hunde und in der Situation halten wir es für das Beste,
einfach im Auto sitzen zu bleiben und zu warten, bis uns jemand findet. Das dauert nicht allzu lange
und wir werden von Lew begrüßt, der uns dann auch die beiden Kläffer Muddy und Joe
vorstellt. Besonders Muddy sieht ziemlich Furcht einflössend aus. Beide sind jedoch ziemlich
verspielt und noch mehr verschmust. Trotzdem würde ich nicht behaupten, Muddy würde keiner
Fliege was zu Leide tun…dazu kommt wir aber erst später.
Wie gesagt, Lew begrüsst uns und auch Chris(tine) steht schon in der Haustür. Chris und Damien
sind die beiden Farmersleut`. Ihre 6 Kinder sind bereits in alle Himmelsrichtungen ausgeflogen, um zu
studieren, lernen, arbeiten oder heiraten. Nur der jüngste Sohn Michael ist gerade für die
Schulferien zu Hause. Lew ist der einzige Angestellte der Beiden, aber eigentlich kann man ihn eher als
Familienmitglied betrachten. Er wohnt in seinem kleinen Wohnwagen auf dem Grundstück.
Schwups, landen wir im Haus, in der Küche, am Tisch und noch mal schwups und wir haben einen Teller
Suppe vor uns und Chris erzählt uns erstmal ein paar Einzelheiten über die Farm, die Familie
und die Arbeit. Die Farm ist 60.000 Acre gross (ca. 24000 Hektare) und hier leben ca. 2.500 Rinder,
40 Pferde, 40 Ziegen und 3 Truthähne. Hier werden Rinder gezüchtet, gefettet und letztendlich
zur Fleischverarbeitung verkauft. Die Rinder sind aufgeteilt und leben in verschiedenen Gehegen mit
Wasserstellen. D.h. die Hauptarbeit einer Rinderfarm besteht aus Zäune ziehen, Zäune einreisen
und Zäune ausbessern. Wasservorräte checken und auffüllen und ab und zu entflohene Rinder
auf des Nachbarn Grundstück abholen. Das kann schon einen halben Tag einnehmen, weil der nächste
Nachbar ca. 30km entfernt wohnt. Außerdem durchlaufen die Rinder zweimal im Jahr ein sogenanntes
„Mustering“.
Nach dem Lunch zeigt uns Chris unser Zimmer im Haus und wir sind begeistert. Hier gibt es sogar richtige
Dauendecken und die brauchen wir auch, denn die ersten Tage auf der Farm ist es ziemlich kalt. Es ist
zwar jeden Tag strahlend blauer Himmel, aber der Wind kühlt die Luft und wir frieren das erste Mal
in Australien. Nach ein paar Tagen werden wir aber wieder mit unseren täglichen 30 Grad und blauem
Himmel begrüsst. So das wir schon fast über die Hitze schimpfen. Hier im Outback regnet es fast
nie und wenn dann auch nur in der Wet Season im Dezember und Januar. In den restlichen Monaten fällt
hier kein Tropfen Wasser und das Thermometer klettert tagsüber nie unter 20 Grad. Wie Ihr Euch sicher
vorstellen könnt, liebt Gabor dieses Land!!
Am Abend lernen wir dann auch Damien kennen und der zeigt uns erstmal, wie man aus einem rießigem
Brocken Fleisch 30 T-Bone Steaks schneidet. Damien hat ein eigenes Fleisch- und Kühlhaus und
schlachtet von Zeit zu Zeit selbst. Er ist ein hervorragender Metzger und die Würstchen sind fast
vergleichbar mit unseren heissgeliebten Würstchen aus Deutschland. Vegetarier haben es hier nicht
allzu gut auf der Farm. Hier gibt es zwar auch Obst und Gemüse, aber das Hauptgrundnahrungsmittel
ist hier einfach Fleisch und davon reichlich. Unser erster Abend wird mit einem BBQ eröffnet.
Am nächsten Morgen um 07:15 Uhr ist Schluss mit lustig und wir werden zum Frühstück geweckt.
Schnell eine Schale Müsli und ab geht die Fahrt übers Grundstück zum Stacheldraht-Zäune
ziehen. Das Prinzip ist ziemlich einfach, aber ein 9km langer Zaun dauert eben seine Zeit. Wir helfen
fleissig beim Drähte wickeln. Die Hunde sind natürlich immer mit dabei und hüpfen um uns
herum. Der Zaun ist schon seit mehreren Wochen in Arbeit und so ist eigentlich nur noch ein Bruchteil
der Arbeit zu tun. Gabor hilft in den nächsten Tagen fleissig beim Zaun ziehen und ich gehe Chris
mit dem Haushalt und dem Garten zur Hand. Außerdem backen wir viele Kuchen und noch mehr Muffins,
denn die Männer sind hungrig. Am dritten Tag ende ich als Kinderbetreuerin bei einem
Vormittags-Kaffeeklatsch unter Müttern und so vergehen die Tage und es ist immer was los. Wenn sich
die Gelegenheit ergibt, fahre ich mit den Männern nach draußen. Und so kommt es, dass ich an
einem Nachmittag mal wieder mit von der Partie bin und wir gemeinsam mit Lew rausfahren, um einen
Holzpfahl auszubessern und natürlich sind auch die Hunde dabei. Muddy verschwindet für einige
Zeit und irgendwann läuft er mir entgegen und ist von Kopf bis Fuss blutüberströmt. Gabor
und ich laufen auf ihn zu und wir denken wunder was der arme Hund hat. Lew löst das Rätsel
schnell und meint nur kurz, dass der Hund wohl ein Kangaroo gerissen hat. Das macht er manchmal, denn
das ist der Instinkt eines Jagdhundes. Tja so ist das hier auf dem Land. Das machen Hunde eben und wenn
es aus Versehen mal einen Hund erwischt, dann wir dem auch nicht wirklich eine Träne nachgeweint.
Hunde sind Arbeitstiere und leben hier ihre Instinkte aus. Ich war leicht geschockt, aber das wird hier
nur belächelt;) An einem anderen Tag fahren Lew und Gabor raus und Gabor sichtet in der Ferne kleine
Wildschweine und lässt es Lew wissen. Dieser setzt natürlich sofort Muddy auf die Wildschweine
an und der Hund fängt erfolgreich eines davon. Die Schwierigkeit ist jetzt, den Hund von dem
Wildschwein zu lösen, aber Lew bekommt das ganz gut hin. Darauf will ich nicht näher eingehen.
Dann schnappt sich Lew das Wildschwein und lässt sein Taschenmesser aufblitzen. Blitzschnell hat er
den quiekenden Eber mit seinem Fuß auf dem Boden fixiert und kastriert und lässt das arme
Ding wieder laufen. Kleine Wildschweine werden hier nur kastriert und nicht getötet, da sie zu wenig
Gewicht haben, um sie Profit bringend zu verkaufen- also Hoden raus und das Tier wachsen lassen.
Thanks God, dass ich an diesem Nachmittag nicht mit herausgefahren bin.
Das sind so die alltäglichen Dinge, die auf einer Farm passieren. Und so manche Arbeit ist
für uns eher mit Spass verbunden. Wie z.B. ein paar Rinder mit dem Motorrad durch die Gegend
zu treiben oder mit dem Quadbike übers Gelände zu düsen. Natürlich haben wir es
uns auch nicht entgehen lassen und haben mit Michael einen Ausritt über das Gelände hoch zu
Ross unternommen. Herr Sebel hat das erste Mal auf dem Rücken eines Pferdes erfolgreich überlebt.
Aber wie soll das auch anders sein, nachdem er am Vortrag bereits auf einem 1.000kg schweren Bullen
trainiert hat.
Tja, und dann gibt es noch die Wochenenden und die Arbeit bleibt liegen. Wir haben Glück, denn
zur Zeit ist Rodeo Saison und gleich an unserem ersten Samstag brechen wir gemeinsam mit Damien, Michael,
Lew und Chris auf in Richtung Rodeo nach Quamby. Hier gibt es verschiedene Wettbewerbe im Wildpferd-,
Kuh- und Bullenreiten. Der Reiter muß lediglich schaffen, 8 Sekunden auf dem wild buckelnden und
galoppierenden Tier sitzen zu bleiben. Dabei sollte er möglichst elegant aussehen. Nach 8 Sekunden
ertönt ein Signal und der Reiter kann sich vom Tier entfernen. Hat eigentlich schon mal jemand 8
Sekunden gestoppt und festgestellt, wie lange das sein kann. Verdammt lange, wenn man die Zeit stoppt und
dabei auf einem Bullen sitzt. Viele verlassen das Tier bereits nach 2-3 Sekunden und haben Mühe sich
schnellstmöglich aus dem Staub zu machen, sonst bekommen sie evtl. noch die Hufe oder gar die
Hörner ab. Es gibt zwar Clowns und Reiter in der Arena, die die wilden Bullen und Pferde ablenken
und versuchen wegzutreiben, aber der ein oder andere Reiter geht mit einigen Blutergüssen nach Hause.
Eine Woche später landen wir auf einem professionelleren Rodeo in Cloncurry und hier geht es noch viel
wilder zu. Hier hat es einen Reiter sogar so hart getroffen, dass er wiederbelebt werden musste und man
geht davon aus, dass sich der arme Kerl das Genick gebrochen hat. Wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass
ein Rodeo viel zu gefährlich ist und dass die Rodeoreiter alle nicht mehr ganz dicht sind.
An Gabors Geburtstag werden wir von Chris und Damien mit zum alljährlichen Pferderennen geschleppt.
Denn Cloncurry hat sogar eine Rennbahn und an dem Nachmittag sollen hier 6 verschiedene Pferderennen
stattfinden. Wir sind fleissig am Wetten abgeben und zum Schluss gehen wir mit 1,50$ Gewinn nach Hause und
sind glücklich.
Und so vergehen Tage um Tage und Wochen und Wochen und mittlerweile sind wir schon 3 Wochen auf der
Farm und der Abschied naht. Wir hatten hier eine ziemlich tolle Zeit und viel viel Spass. Natürlich
haben wir auch extrem viel Neues gelernt, unter anderem ein Mustering miterlebt, dazu aber mehr im
folgenden Text.
Chris, Damien und Lew, wir danken Euch so sehr, dass Ihr uns wie eine Familie aufgenommen habt und das
Ihr Euch so viel Mühe gegeben habt, damit wir eine so tolle Zeit bei Euch und mit Euch verleben
konnten. Wir hoffen, dass wir es schaffen und uns in Januar in Brisbane wiedertreffen!!!
MUSTERING AUF CHAM VALE
Auf dem Rodeo in Cloncurry lernen wir durch Zufall Tracey und David kennen. Das sind Freunde von Damien
und Chris und wie es der Zufall so will, steht bei den Beiden auf der Farm für Montagmorgen ein
Mustering an. Tracey sagt es ist ein Muß einmal ein Mustering miterlebt zu haben und lädt
uns prompt auf ihre Farm ein. Und so kommt es, dass wir Sonntags Abend auf „Chum Vale“ ankommen und mit
den beiden und dem jüngsten Sohn Lincoln bei einem BBQ zusammensitzen. Tracey hat uns ein Zimmer
hergerichtet und dann geht es ab ins Bett, denn die Nacht endet schon um 06:00 Uhr. Dann wird schnell
gefrühstückt und es geht vor die Tür, denn der Helikopter ist bereits im Anflug. Das
Mustering läuft dann wie folgt ab. Es sollen alle Rinder (ca. 500) aus einem Gehege an einer
Wasserstelle zusammengetrieben werden. Der Helikopter und zwei Motorräder fahren bzw. fliegen
systematisch durch das ganze Gehege und treiben alle Rinder an die Wasserstelle. Hier warten ca. 6
Reiter und versuchen die Herde zusammenzuhalten. Und genau hier warten auch wir gemeinsam mit Tracey
im Toyota Landcruiser. Es ist ziemlich aufwendig in dem riesigem Gehege alle Rinder einzutreiben.
Natürlich versuchen sich die Rinder zu verstecken oder immer wieder aus der Gruppe auszubrechen und
abzuhauen. Der Helikopter fliegt erschreckend tief und ist ziemlich gut im Sichten von Rindern und im
zusammentreiben. Nach einer Weile landet der Heli neben uns und nimmt Gabor auf. Und schon geht es wieder
in die Luft und über das Gelände. Nach weiteren 40 Minuten sind die letzten Rinder an der
Wasserstelle eingetroffen und jetzt beginnt die Arbeit für die Reiter. Die ganze Herde muß
ca. 3km in Richtung „Mustering Yards“ getrieben werden. Es ist ziemlich schwierig die ganze Herde
zusammenzuhalten und immer wieder müssen Ausbrecher eingefangen werden. Der Helikopter kommt noch
mal runter und jetzt habe ich die Gelegenheit aufzuspringen und das ganze Spektakel von oben zu betrachten.
Es ist gigantisch und atemberaubend, wie der Heli fliegt. Der Heli hat keine Türen und so erlebt man
den Flug noch viel hautnaher. Immerhin schafft es der Pilot, sich während dem Fliegen ab und an eine
Zigarette zu drehen und zu rauchen. Und auch der Heli dreht sich von Zeit zu Zeit. Mal bleibt er stehen
und mal geht er steil runter oder hoch. Manchmal hänge ich mehr oder weniger fast im Freien. Oh Mann,
dieser Flug könnte immer so weitergehen. Heli fliegen ist echt einmalig. Der Pilot hat noch einige
Nachzügler beigetrieben und jetzt stehen wir genau über den Mustering Yards und können
beobachten wie die Rinder in die umzäunten Yards eingetrieben werden. Bis hier oben hört man
das muhen der Rinder, und auch in den nächsten Tagen werden die armen Kerle nicht schweigen. In den
Mustering Yards werden die Tiere jeweils einzeln betrachtet und dann je nach Bestimmung einem Yard
zugeteilt. Zum Verkauf kommen hauptsächlich nur die männlichen Tiere in einem Alter von ca.
2 Jahren. Die weiblichen Tiere werden zur Weiterzucht behalten. Und natürlich werden bei einem
Mustering die neuen Kälber registriert, kastriert wenn männlich, enthornt wenn Hörner,
gebranntmarkt und ge-Ohr-markt. Diese Prozedur erwartet uns am nächsten Morgen und ich habe für
die Hartgesottenen von Euch ein paar Fotos von der Prozedur im Bilderbereich zurechtgelegt. Gabor hat sich
das Ganze aus der Nähe betrachtet und ich habe nach zwei Minuten das Weite gesucht und nur noch aus
der Ferne in Richtung Mustering Yards geschielt. Und jetzt kommen wir zu den Mountain Oysters. Dabei
handelt es sich nämlich um die so genannten Hoden der armen Kälber, die herausgeschnitten
werden. Diese werden auf einen Draht gespiesst und auf dem Gasheizofen für die Brandzeichen gebruzzelt.
Das gilt als Delikatesse und jetzt ratet mal, wer davon genascht hat. Uiihh..mir hat es leider fast den
Magen umgedreht, aber Gabor ist da sehr probierfreudig.
Am ersten Abend des Mustering muß leider noch eine Kuh dran glauben und wir haben die Gelegenheit
einer Schlachtung beizuwohnen. Auch dieses Spektakel habe ich lieber aus der Ferne betrachtet, aber auch
davon gibt es ein paar Fotos für die ganz Harten.
Aber das alles haben wir gut überstanden und so kommt es, dass wir die Gelegenheit bekommen sollen,
beim Aussortieren der Kälber mitzuhelfen. Und das auf dem Rücken eines Pferdes. Ich als alter
Reiter bin natürlich hellauf begeistert und schwinge mich mutig auf das als „sehr ruhig“ angepriesene
Pferd. Das allerdings mochte mich gar nicht gerne und hat spontan von 0 auf 100 in nur 2 Sekunden
beschleunigt und dann noch ein paar Hüpfer und Buckel von sich gegeben. Letztendlich habe ich die 8
Sekunden nicht durchgehalten, aber immerhin bin ich ordentlich auf meine Hüfte und meinem Hintern
gelandet und der Schmerz ist unbeschreiblich und wird mich zusammen mit den schwarzblauen Blutergüssen
noch lange an dieses Abenteuer erinnern.
Die beiden Tage bei Tracey und David auf „Chum Vale“ waren trotzdem supertoll und wir haben das Mustering
zum Teil sehr genossen und zum Teil sehr viel gelernt, aber leider nicht immer mit Freude verbunden.
Letztendlich ist das aber der Weg, wie das Steak auf den Teller kommt. 1.000 Dank an Tracey und David
für die supertolle Erfahrung und vor allem für den Helikopterflug quer übers Outback.
Hier könnt Ihr die Bilder zu diesem Eintrag sehen...